Zum Auftakt des Konzertjahrs 2025 ging es für das Bundesjugendorchester vom legendären Musikverein Wien über die Elbphilharmonie Hamburg bis nach Großbritannien. Gemeinsam mit dem Pianisten und Dirigenten Wayne Marshall widmeten sich die Nachwuchsmusiker:innen den drei englischsprachigen Komponisten Britten, Gershwin und Holst.
Das Projekt fand mit freundlicher Unterstützung des Goethe-Instituts, des Auswärtigen Amts, der Landesbank Baden-Württemberg, der Ecclesia Gruppe, der R+V Versicherung und privaten Spender:innen statt.
Das Programm: Benjamin Brittens Klassiker „The Young Person’s Guide to the Orchestra“ bringt bis heute dem Publikum die Bandbreite eines Orchesters musikalisch nahe. Mitreißende Motive und Variationen machen George Gershwins „Rhapsody in Blue“ zu einem der beliebtesten Jazz-Stücke für den Konzertsaal. Und mit Gustav Holsts Orchestersuite „The Planets“ griffen die jungen Musiker:innen schließlich zu den Sternen. Dabei war der Tourplan voll getaktet und führte durch große und kleinere Städte: Die Auftritte in Wien, Bielefeld, Hamburg, Ludwigsburg, Cheltenham, London, Birmingham, Manchester, Bradford und Edinburgh wurden vom Publikum gefeiert und (größtenteils) mit Standing Ovations bejubelt. Am Ende der Tournee war klar: Das Vereinigte Königreich bietet ein herzliches Publikum und fantastische Konzertsäle.
Besonders bemerkenswert war die Einrichtung einer Deutsch-Britischen Chorakademie eigens für diese Tournee: Junge Sängerinnen aus Deutschland und Großbritannien traten gemeinsam auf und stärkten die freundschaftliche Bindung zwischen den Nationen. Das Royal Northern College of Music (RNCM) Manchester nominierte die britischen Sängerinnen für die Chorakademie und lud das gesamte Bundesjugendorchester während der Tournee zu einem Tag der offenen Tür im RNCM ein – eine intensive Begegnung!
Das Bundesjugendorchester setzte mit dieser Tournee ein starkes Zeichen. Die Initiative, die unter anderem nach dem Brexit und dem Auslaufen des ERASMUS+ Programms einen dringend benötigten Impuls für den deutsch-britischen Dialog bot, zielte darauf ab, die künstlerische Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu fördern und zukünftige Generationen zu inspirieren. Die Tournee umfasste auch politische und kulturelle Begegnungen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft in London und dem Generalkonsulat in Edinburgh sowie den örtlichen Goethe-Instituten.
„Das Projekt konnte herausstellen, wie wichtig musikalische Verbindungen über alte und neue Grenzen hinweg sind. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Royal Northern College of Music in Manchester etablierten wir einen intensiven Austausch der Musiker:innen beider Länder. Die jungen Künstler:innen setzten selbst einen Impuls für kulturelle Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Deutschland und erlebten sie gleichzeitig als wertvoll und inspirierend." – Sönke Lentz, Orchesterdirektor des BJO
Mit britischem Programm durch vier Länder
Als Assistent und Choreinstudierer durfte ich, durch die Vermittlung des Forum Dirigieren, zwanzig Tage lang das Bundesjugendorchester auf seine Konzerttournee durch Österreich, Deutschland, England und Schottland unter der Leitung des Dirigenten, Organisten und Pianisten Wayne Marshall begleiten. Das Programm bestehend aus Benjamin Brittens „The Young Person’s Guide to the Orchestra“, George Gershwins „Rhapsody in Blue” mit dem Dirigenten als Solisten sowie die große siebensätzige Orchestersuite „Die Planeten“ von Gustav Holst saß wie maßgeschneidert für diese Konzertreise.
Holsts Werk beinhaltet im letzten Satz, dem Neptun, eine kurze, aber wichtige Frauenchorpartie, schließt diese doch allein das rund einstündige Werk ab. Diese Partie, die vom Chor sichtlich abgeschirmt vom Publikum und mystisch hinter der Bühne erklingen soll, durfte ich mit der eigens für diese Konzertreise ins Leben gerufenen Deutsch-Britischen Chorakademie einstudieren. Die Deutsch-Britische Chorakademie bestand aus dreizehn Sängerinnen vom Royal Northern College of Music in Manchester, sowie ihrem Gegenpart, dreizehn deutschen Sängerinnen. Zweitere wurden von mir nach Sichtung und Auswertung von einer Vielzahl an Videobewerbungen ausgewählt, und vom Bundesjugendorchester zu dieser Orchesterreise eingeladen.
Bevor nun aber die Chorproben starten sollten, begannen die ersten vier Probentage in Tulln ohne den Chor mit dem Orchester allein. Auch der Dirigent Wayne Marshall sollte erst in den folgenden Tagen anreisen, was mir die Gelegenheit und das Privileg gab eine Tutti- und drei Streicherproben des Bundesjugendorchesters zu dirigieren. Die weiteren Registerproben wurden von renommierten Orchestermusiker:innen aus ganz Deutschland angeleitet. Nicht nur in den eigens angeleiteten Proben, sondern auch in jenen der Dozierenden konnte ich hospitierender Weise viele neue Erkenntnisse gewinnen.
Mit der Anreise des Chors und Wayne Marshall verschob sich mein Fokus auf die Einstudierung der Sängerinnen. Um den überschaubaren chorsinfonischen Part, den die Damen zu singen hatten, zu erweitern, habe ich ein Chorprogramm deutsch-britischer Couleur herausgesucht, das wir bei anderen Gelegenheiten (u. a. bei einem ersten Auftaktchorkonzert in Tulln, einem Besuch der Deutschen Botschaft in London und einem Lunch-Concert im Royal Northern College of Music Manchester) aufführen sollten. Vertreten waren Werke von Britten, Tallis, Brahms, Schumann, Mendelssohn, Pärt und weiteren. Schließlich komplettierte der Vorschlag Wayne Marshalls auch seine eigene Komposition aus Studienzeiten des Nunc Dmittis und des Magnificat für Frauenchor und Orgel aufzuführen unser Programm.
Im Rahmen der Einstudierung war es eine besondere Anforderung den kürzlich zusammengetretenen Chor bestehend aus britischen Gesangsstudentinnen im ungefähren Alter von 22 bis 27 Jahren und die deutlich jüngeren Stimmen aus Deutschland (im Alter von 17 bis 23 Jahren) nicht nur klanglich, sondern auch sozial zu einer homogenen Gruppe zu formen. Letzteres scheint nicht die primäre Aufgabe eines Dirigenten zu sein, doch ist sie maßgeblicher Bestandteil, um musikalischen Erfolg überhaupt möglich zu machen. Es blieb über die Einstudierung hinaus entscheidend und wichtig, die Aufgabe des Chors und damit verbunden das Selbstverständnis der Sängerinnen im Spannungsfeld mit dem Orchester beständig als integralen Bestandteil des Projekts und nicht nur als musikalisches Addendum hervorzuheben und zu betonen. Dabei wurde es den Sängerinnen und auch mir in leitender Weise zum großen Privileg im Rahmen der großen Sinfoniekonzerte in vier Spielstätten (Hamburg, Birmingham, Manchester und Edinburgh) mit Wayne Marshall an der Orgel seine Kompositionen des Nunc Dimittis und Magnificat als Zugabe musizieren zu dürfen.
An den zwanzig Tagen mit dem Bundesjugendorchester, der Deutsch-Britischen Chorakademie und Wayne Marshall durfte ich viel erfahren, erleben und erlernen. Die Bedeutung von Konstanz, professionelles Management der künstlerischen Grundvoraussetzungen für die tägliche Arbeit, gerade im Zwiespalt mit den Herausforderungen einer Konzerttournee, das Nachdirigieren in unterschiedlichsten off-stage Situationen (mit und ohne Monitor) und vieles, vieles weiteres. Besonders möchte ich erwähnen wie beeindruckt ich von der Professionalität des Bundesjugendorchesters war. Nicht nur die alle Umstände meisternde und stets mit der nötigen Flexibilität versehene Organisation auf administrativer Seite, sondern auch der Selbstanspruch der jungen Musikerinnen und Musiker, deren Verantwortungsgefühl für die Gruppe, sowie ihr positives künstlerisches Streben über alle Proben- und Konzerttage hinweg spürbar war.
Für diese außerordentliche Gelegenheit und die Summe aller verbundenen Erfahrungen bin ich dem Forum Dirigieren und dem Freundeskreis Forum Dirigieren, der diese Assistenz ermöglicht hat, außerordentlich dankbar. Danken möchte ich auch den Musikerinnen und Musikern, sowie den Sängerinnen des Bundesjugendorchester und der Deutsch-Britischen Chorakademie für ihr unentwegtes musikalisches Engagement. Zuletzt geht mein Dank, meine Bewunderung und Anerkennung an Wayne Marshall, von dessen Selbstverständnis gegenüber der Musik ich nachhaltig beeindruckt wurde, sowie an die Tourneeleitung Ann-Kathrin Kösters und den Orchesterdirektor Sönke Lentz, deren Arbeit einen unschätzbaren Wert für diese und zukünftige Generationen werdender Orchestermusikerinnen und Orchestermusiker bedeutet.
In Erinnerung an einen wundervollen Konzertabend in Wien mit einem begeisterten Publikum: Das ORF hat das Konzert im Konzertverein mitgeschnitten. Hier kann das Konzert nachgehört werden.
zum Konzertmitschnitt aus Wien
Bundesjugendorchester
Deutsch-Britische Chorakademie
Wayne Marshall (Klavier und Dirigent)
Benedikt Kantert (Assistenz und Choreinstudierung)
Benjamin Britten (1913–1976)
The Young Person's Guide to the Orchestra op. 34
George Gershwin (1898–1937)
„Rhapsody in Blue“ für Klavier und Orchester
Gustav Holst (1874–1934)
„The Planets“ (Die Planeten) op. 32
Wien (A) – Musikverein (9. Januar)
Bielefeld – Rudolf-Oetker-Halle (10. Januar)
Hamburg – Elbphilharmonie (11. Januar)
Ludwigsburg – Forum am Schlosspark (12. Januar)
Cheltenham (GB) – Town Hall (14. Januar)
London (GB) – Cadogan Hall (15. Januar)
Birmingham (GB) – Symphony Hall (16. Januar)
Manchester (GB) – Bridgewater Hall (17. Januar)
Bradford (GB) – St. George's Hall (18. Januar)
Edinburgh (GB) – Usher Hall (19. Januar)
Die Tournee nach Großbritannien wurde gefördert durch: